Perspektive der Bewährungshilfe
als
lernende Organisation –
18.06.2001
in Wiesbaden
Zum 5.Seminar „Perspektive der Bewährungshilfe“ trafen sich Bewährungshelfer aus Hessen. Es nahmen auch Kolleginnen aus Rheinland-Pfalz und Kollegen aus Baden-Württemberg teil. Sie berichteten über ihre Projekte und Schwerpunktbildung. Prof. Höflich und Dr. Kurze stellten die ersten Überlegungen zur Konzeption einer wissenschaftlichen Begleitung vor. Die Planung für die Umsetzung eines Moduls „Soziale Kompetenz“ wurde in Angriff genommen. Der Großteil der anwesenden hessischen Bewährungshelfer wird sich an der konkreten Erarbeitung des Moduls in den nächsten Monaten beteiligen. Im kommenden Jahr soll die Entwicklung des Moduls in einem erneuten Seminar vorgestellt werden.
Die vorrangigen Delikte der Probanden sind Diebstahls (33%), Verstöße gegen Straßenverkehrsgesetze (24%) und knapp bei 10% jeweils Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung und Betrug / Urkundenfälschung etc.(Untersuchung bei der Bewährungshilfe Marburg, 30.03.01). Soziales Fehlverhalten steht bei fast allen Straftaten im Hintergrund.
Deshalb ist die Entwicklung eines Moduls „Soziale
Kompetenz“ von vorrangiger Bedeutung. Mit diesem Instrumentarium sollen
dissoziale Verhaltensweisen bei den Probanden verändert werden. Mit diesem Versuch der Nachsozialisation soll präventiv
gewirkt werden, um neue Straftaten zu verhindern.
Eine Erhebung über Arbeitsschwerpunkte der Bewährungshelfer ergab eine sehr unterschiedliches Spektrum an Arbeitsansätzen. Die vorhandenen Stärken und Schwerpunkte der Bewährungshelfer belegen eine große Arbeitsvielfalt. Aus dieser Tatsache folgert aber auch die Notwendigkeit einer größeren Abstimmung der Arbeitsziele in der Berufsgruppe und eine Standardisierung des Vorgehens. Dazu würde die Schaffung von Modulen als weitgehend einheitliche Standards sehr sinnvoll sein.
Projekt „Kreidezeit“
Die Bewährungshelfer Thomas
Eckl und Steffen Marx vom Landgerichtsbezirk Stuttgart berichteten anschaulich
über das von Ihnen praktizierte Schuldnerprojekt. Für Probanden aus dem
Landgerichtsbezirk werden in 4 Abendveranstaltungen Informationen zur Schuldenregulierung und den
Voraussetzungen gegeben. Die Probanden sollen ermutigt werden ihre Schulden
ausgleichen zu wollen und gleichzeitig wird die Bereitschaft der Probanden sich
auf eine verbindliche Regelung einzulassen geprüft. Die Konzeption
sieht als Ziel vor:
·
Die Verantwortung für ihre
finanziellen Belange bei den Probanden zu belassen und einen Beitrag dazu
leisten, sie wieder zur verantwortlichen Planung ihres Haushalts
zurückzuführen.
·
Information über Finanzfragen
zu geben und motivierend auf sie einzuwirken, die „Kreidezeit“ (Verschuldung)
aktiv anzugehen, durchzustehen, bzw. zu bewältigen.
·
Training im Umgang mit
schwierigen finanziellen Angelegenheiten anzubieten.
·
Einen Ausgleich zu
ermöglichen, also mit ihnen ein Schuldenregulierungsverfahren durchzuführen und
abzuschließen. Autonomie gilt ihnen hierbei als Leitgedanke.
Antigewalttraining (AGT)
Die
Bewährungshelferinnen Ute Jung-Wagner und Daniela Casper-Seiler berichten über
die Schwerpunktbildung und besonders das Antigewalttraining (AGT) im
Landgerichtsbezirk Koblenz. 2 AGT´s wurden bisher durchgeführt. Die Trainer
wurden in Seminaren von erfahrenen Teamern ausgebildet. Es werden 15 Abende mit
jeweils 2 Zeitstunden für Probanden durchgeführt, die vom Gericht eine Weisung
zur Teilnahme erhalten. Für die Trainer kommen zusätzlich Zeiten für die Vor-
und Nachbereitung hinzu. Die Themen der Abende sind u.a.:
·
Provokation |
·
Verunsicherung |
·
Männlichkeit |
·
Gewaltverherrlichung |
Die Konzeption wurde im Dezember 99 erarbeitet und benennt
die Motivation der Koblenzer BewährungshelferInnen: „In unserem Arbeitsalltag arbeiten
wir bislang in der Regel ausschließlich im Rahmen klassischer Einzelfallhilfe.
Hierbei stellten einige von uns gerade im Umgang mit jungen gewalttätigen der
gewaltbereiten Probanden fest, dass mit den bisher praktizierten methodischen
Ansätzen eine grundlegende Einstellungs- und Verhaltensveränderung kaum zu
erreicht ist. ... Das AGT soll die Hemmschwelle des Täters, Gewalt anzuwenden,
erhöhen. Die Häufigkeit und Intensität von Gewalt soll reduziert werden. Den
Teilnehmern werden eigene Gewaltpotentiale vor Augen geführt, um deutlich zu
machen, welchen Anteil sie selbst an der Eskalation konfliktreicher Situationen
haben.“
Entwicklung eines Moduls
„Soziale Kompetenz“
In Hessen wollen wir ein
Modul „Soziale Kompetenz“ entwickeln. Mit diesem Modul wollen wir einen
fachlicher Schwerpunkt erarbeiten, der sich später zu einem Standard in der
Bewährungshilfe entwickeln könnte. An der Ausarbeitung werden bis zu 12
Bewährungshelfer aus Hessen teilnehmen. Das Modul soll dann später in der
Praxis angewendet werden. Zuerst werden die Grundlagen in einem einwöchigen
Seminar im Dezember erarbeitet. Im kommenden Jahr wird dann die Anwendung auf
das Klientel der Bewährungshilfe erarbeitet und erprobt. Ziel des Moduls soll
sein:
·
Die Entstehung und den
Verlauf von Konflikten so zu beeinflussen, dass ihr Ausgang zu einem sozial
befriedigenden Ausgang führt.
·
Die soziale
Handlungskompetenz zu verbessern und eigene und fremde Verhaltensweisen bewusst
erkennen, verstehen und beeinflussen zu lernen.
·
Die Dynamik der
zwischenmenschlichen Kontakte und Beziehungen zu erkennen und auf das eigene
Handeln anzuwenden.
Wissenschaftlich
Begleitung der lernenden Organisation
Die wissenschaftliche
Begleitung wird durch Prof. Peter Höflich und Dr. Martin Kurze erfolgen. Sie haben sich in dem Seminar persönlich
vorgestellt und erste Überlegungen dargestellt.
Prof. Höflich ist Hochschullehrer an der FH Lausitz (Cottbus) - FB
Sozialwesen und war viele Jahre im Bereich des Strafvollzuges und
Straffälligenhilfe (Leiter der JVA Bonn, AWO-Bundesvorstand, Justizministerium
Brandenburg) tätig. Dr. Kurze hat als Mitarbeiter der Kriminologischen
Zentralstelle (KrimZ) Wiesbaden die Untersuchung über die Bewährungshilfe
durchgeführt. Weitere Untersuchungen im Bereich der Sozialen Dienste wurden von
ihm publiziert.
Ausgangspunkt ist die
Ist-Analyse, die von Dr. Kurze (Untersuchung der KrimZ über die
Bewährungshilfe) erstellt und in unserer Seminarreihe bezogen auf die Praxis in
Hessen im Dezember 99 bestätigt wurde. Der notwendige Veränderungsbedarf wurde
festgehalten und in diesem Seminar nochmals betont.
Ziel der wissenschaftlichen
Begleitung sollte sein:
·
Qualitativ hochwertige
Arbeit in der Straffälligenhilfe zu entwickeln.
·
Die Institution
Bewährungshilfe in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
·
Neben der qualitativen Weiterentwicklung
auch die Arbeitszufriedenheit der Bewährungshelfer zu steigern.
Als konkrete Aufgaben der
wissenschaftlichen Begleitung sollte erfolgen:
·
Dokumentation des Prozesses
und der Module.
·
Selbstdarstellung des
Projektes.
·
Information,
Koordination, Kooperation, Moderation (bei Bedarf),
·
prozessorientierte
Evaluation.
Das Grundverständnis der
gemeinsamen Arbeit:
·
Mitarbeit an der
Entwicklung und Durchführung ist freiwillig.
·
Es wird offen und stetig
über das Projekt informiert.
·
Die Beteiligten handeln
eigenverantwortlich und auftragsunabhängig.
·
Weitere Personen können
im Projekt mitarbeiten, wenn sie das Grundverständnis teilen.
Weitere Informationen über
den Fortgang des Projektes sind aktuell auf dieser Internetseite nachzulesen.